Mr. Bassman geht tief runter
Bert Gerecht gräbt in seinen Erinnerungen: Ab 1968 Bassist in Ami-Clubs, tierische Bewusstseinserweiterung nicht nur beim Musikstudium, 1980 dann der kultige Laden Mr. Bassman. Der Rasende Bass-Bote machte ihn rasend, und wie war das mit seiner Bass-Bibel? Dann Peavey, Fachblatt, Bass-Talk! Nach 45 CD-Produktionen wurde aus Hot Wire Records 1999 Hot Wire Bass, und was war sonst noch so los? Ein Schelmenroman aus der Frankfurter Szene.
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LESEPROBE 1: GRAND OPENING
Am ersten August 1980 war es dann soweit. Mr. Bassman öffnete seine Tore! Ich hatte gerade eine intensive Zahnbehandlung laufen und musste mit tierischen Zahnschmerzen vorher noch dringend zum Zahnarzt. Die liessen mich warten... Ich sass auf heissen Kohlen im Wartezimmer und guckte die Uhr an. Langsam bewegte sich der Zeiger in Richtung 12, und ich sass im Wartezimmer und verreckte so langsam vor mich hin. Endlich kam ich dran, und ich kam ein paar Minuten zu spät zu meiner eigenen Ladeneröffnung.
Bäh! Aber mein freier Mitarbeiter Hennig hatte schon aufgemacht und die ersten Kunden begrüsst. Meine Eltern standen vor der Tür und beglückwünschten mich. Dann sagte meine Mutter, „Dein Opa in Holland ist gestern gestorben... Wir fahren morgen zur Beerdigung. Bleib du mal hier, wir machen das schon.“
Uuuäähh... Ausgerechnet mein Opa! Ausgerechnet jetzt! Der mir immer gesagt hatte, „je mot met je hande werke!“ Ich hätte ihm so gerne bewiesen, dass ich mit den Händen arbeiten kann. Aber für Trauer war erstmal keine Zeit. Ich musste mich um meine Kunden kümmern. Auch Gerd Knebel, der später mit „Badesalz“ berühmt werden sollte, kam an diesem Tag rein. Gegen Abend tauchte noch einer meiner Gitarrenschüler auf und kaufte eine Hoyer Flying V, und der erste Tausender lag in der Kasse. Um 18:30 Uhr gingen die Rollläden runter, wir liessen die Korken knallen und zogen einen fetten Joint mit unseren Stammkunden durch. Mr. Bassman war jetzt offiziell am Start!
Kaum war der Laden auf, kamen auch schon die ersten Vertreter vorbei, zum Beispiel der von der Firma Hoyer. Der fuhr in einem riesigen Chevrolet Station Wagon vor, vorneweg ein Taxi, um ihm den Weg zu zeigen. Heute hat man dafür ein Navi! Aber das war 1980, und Navis gab´s höchstens im Flugzeug. Oder im Space Shuttle. Der gute Mann hatte tolle Sprüche drauf - er zeigte uns einen weiß lackierten Hoyer Taurus Bass: „Spermaweiß... da kannste kleine Macken selber spritzen!“ Was bei uns zu einem geflügelten Wort wurde.
LESEPROBE 2: MESSE-STRESSE
Am Samstag, den 15. Februar 1986, eine Woche nach Fasching, ging die Frankfurter Musikmesse los. Wir hatten unseren Stand „G&F-Verlag“ am Freitag aufgebaut. Wir präsentierten den Rasenden Bass-Boten, Ausgabe Eins. Damit waren wir die nächsten Tage voll beschäftigt. Ich schaffte es nicht mal, am Samstagabend zum grossen Sioux-Konzert in den Sinkkasten zu gehen, so fertig war ich. Zu dumm, da hatte ich echt was verpasst. Denn Bassist R.D. Schnapka, „das Tier aus der Pfalz“, bollerte den ganzen Gig auf dem neuen Slapper Fünfsaiter, den Mr. Bassman ihm gesponsert hatte.
Am Sonntagabend mussten wir selber ran: Matchbox Bluesband im Sinkkasten, mit Live-Recording auf der Fostex-Sechszehnspur. Das hatten wir mit den Jungs der Firma Fostex ausgemacht, denen waren wir freundschaftlich verbunden. Ich hatte eine 2 x 15 Electrovoice Box am Start, mit einem fetten Peavey Amp drauf, und badete im Bass-Sound. Die Hütte war voll, alles war gut. Aber es war schon hart, direkt von der Messe in den Sinkkasten zu fahren. Wie wir das auf die Reihe gekriegt haben, mit Aufbau und Soundcheck, weiss ich nicht mehr. Denn Kah Eff und ich konnten ja nicht vor 18 Uhr von unserem Messestand weg. Und wir beide waren die MBB Rhythm-Section.
Nach dem Gig gingen alle mit irgendwelchen Mädels weg. Gepennt hat in dieser Nacht keiner so richtig. Am nächsten Morgen waren wir pünktlich um neun auf dem Stand und soffen einen Kaffee nach dem andern. Da hätte ich auch schon mal eine Runde Nasenpuder brauchen können.
Auch an diesem Montagabend war keine Zeit, eine ruhige Kugel zu schieben: Musiker-Magazin-Messeparty im Sinkkasten. Pflichttermin für mich als Redakteur der Bassabteilung. Ich war da, kann mich aber an nichts mehr erinnern. Muss also gut gewesen sein.
Am Dienstagabend hiess es dann: Mr. Bassman´s Con-Fusion! Im Sinkkasten-Programmheft stand: „Mr. Bassman, feinfühliger Basshändler mit Blues im Blut, realisiert in dieser Formation Sounds und Songs, die sich hervorragend für eine Hochdrucktherapie eignen. Das Programm besteht aus Jazzstandards in neuen Arrangements, exotischen Drucksachen, die gelegentlich bis zum Heavy Metal gehen und melodischen Funkeinlagen, bei denen der Blues durchschimmert.“
„Con-Fusion“ bestand aus Kah am Schlagzeug, Tillman an der Gitarre und mir am Bass. Das war unsere Fusion-Besetzung, und es war unser erster Gig! Wir hatten Peter Sonntag als Special Guest als Bass-Solisten dabei. Mit ihm hatte ich schon ein paar Duo-Auftritte mit Jazz-Standards absolviert. Peter kam enorm verspätet zum Sound Check, hängte seinen versifften Parka an einen Beckenständer. Der blieb dort hängen bis zum Ende des Konzerts. Unser Freund Wolfram (R.I.P.) machte ein Foto davon, wir haben noch lange über den Profi gelacht. Seine ersten Worte damals waren, „jetzt brauch ich erstmal nen Sechsfach-Stecker für meine Effektgeräte...“ worauf einer seiner Roadies sofort zum Kaufhof ausrückte, um einen solchen zu besorgen. Wir sind alles echte Profis.
An diesem Abend gab ich auch mein Debüt als Frontmann und führte mit freundlichen Worten durchs Programm. Wir hatten ein paar Gäste dabei, einen Percussionisten, seinen Namen habe ich vergessen, und eine schwarze Sängerin namens Andorra, die bei meinem Freund Mozart wohnte. Mit der konnten wir ein paar R&B-Nummern spielen. Ich glaube, der Kah war latent scharf auf sie. Romano, der neue Bassist von Flatsch! sang und spielte auch eine Nummer oder zwei mit, und überhaupt verging der Abend wie im Flug. Adrenalin pur! Es war auch etwas verschärft, denn es waren jede Menge Messe-Leute im Publikum. Auch mein Freund Wolfgang Schmid, Bassist von Passport, war präsent und gab mir noch ein paar gute Tipps zur Performance. Alle soffen ordentlich, in freudiger Erwartung, dass der Mittwoch der letzte Messetag war. Petra erinnert sich: „Ich war da, und ich fand es echt scheisse. Die schwarze Sängerin sang immer haarscharf am Ton vorbei. Und Fusion war sowieso noch nie mein Ding. Ich war nur als Motivationsstütze dabei.“
Rudi, der Sinkkasten-Booker, meinte jedenfalls nach dem Gig, wir könnten gleich einen neuen Termin machen. Kann so schlecht also nicht gewesen sein.
Den Messe-Mittwoch schafften wir so mit Ach und Krach, und packten mit letzter Kraft unseren Kram zusammen. Eigentlich hätte ich noch einen Termin gehabt, im Sinkkasten natürlich. Dort spielte Wolfgang Schmid mit Pete York und Lenny McDowell. Aber ich war endgültig im Arsch. Ab ins Bett, aber zum Schlafen, wenn´s denn machbar wäre.
Eine Woche später hörten wir uns die Sechzehnspur-Live-Aufnahmen der MBB an. Was war das? Ein blödes, unrhythmisches Geklapper war zu hören. Wir analysierten das, und fanden raus, das war der linke Fuß von Kah auf der Hi-Hat. Der bewegte sich immer wieder unkontrolliert, und erzeugte dieses Geräusch, aber er hatte das bis jetzt selbst noch nicht gemerkt. War bislang immer im Getöse untergegangen. Aber da diesmal die Hi-Hat richtig gut mikrophoniert war, war das deutlich auf allen Drumspuren zu hören. Aua-aua! Watt nu? Tja, Scheiss drauf! Es hätte ne schöne Live-LP geben können. Aber so nicht. Bäh. Die Aufnahmen wurden in die Tonne gekloppt. Schade, Kah. Wär so schön gewesen.
LESEPROBE 3: YUPPIE DISEASE
Superbassist Percy Jones von „Brand X“ hatte ich im Sommer 1989 in London auf der British Music Fair kennengelernt. Pete the Fish von "Wal" brachte uns zusammen. Ich als Riesen Fan der alten Brand X Platten war begeistert! Percy ist der typische „British Gentleman“, und sehr be-scheiden, obwohl er in der Bass-Szene ein Superstar ist, wir verbrachten den Abend zusammen, und wir hatten viel zu lachen. Er gab mir eine Kassette mit einer Solo-Produktion drauf, die er in seinem Apartment in New York aufgenommen hatte, und die pustete mich förmlich weg. Ich rief ihn in NYC an, nachdem ich mich beruhigt hatte, und sagte dass ich das toll fände und veröffentlichen wolle. Mittlerweile hatte ich ja Ulrich vom EFA-Vertrieb kennengelernt, und der meine, so ein irres Zeug könnte EFA gut verkaufen. Für Percy war das „good news“ und er meinte, er würde das nochmal neu in seinem Wohnzimmer einspielen, direkt auf DAT.
So wurde „Cape Catastrophe“ 1990 auf Hot Wire veröffentlicht. Starke Musik, die vom EFA-Vertrieb in Frankfurt in die Läden gebracht wurde. Daraufhin lud ich Percy zur Musikmesse ein, und organisierte einen Percy Jones Solo Gig im Frankfurter Sinkkasten, mit jeder Men-ge Prominenz.
Es wurde ein rauschendes Fest: Wolfgang Schmid war da und hatte seinen Gitarristen Peter Wölpl dabei und überredete Billy Cobham, der auch auf der Messe war, dazuzukommen. Sie legten eine tolle Performance hin. Emmett Chapman spielte ein Stick-Solokonzert.
Wim Dijkgraaf, holländischer Bassist und Bass-Talk Kandidat, führte ein paar Solostücke auf. Es waren noch andere Gäste dabei. Höhepunkt allerdings war Percys Live Aufführung von „Cape Catastrophe“, er alleine am fünfsaitigen Wal Fretless Bass mit seinen Geräten. Auch wenn man es direkt vor sich sah, konnte man kaum glauben, dass das alles einer alleine machte. Er spielte eine volle Stunde durch, und das illustre Publikum war begeistert. Die beste Promotion für unsere neue CD!
Danach quartierte ich Percy in meinem Heimstudio in unserem Gästezimmer in Eschborn ein. Wir hatten eine gute Woche Zeit. Es galt, einen Percy-Jones-Track für Bass-Talk Two aufzunehmen. Zur Verwendung kam alles, was ich da hatte: zwei Korg M1, der neue Peavey DPM3, ein Mini Moog, ein Roland S700, ein Rocktron Bass Preamp und ein Electro Harmonix Bassball. Und Percy´s Wal Fivestring Fretless. Der Mann aus Wales ist ein Elektronik-Genie: Innerhalb eines Tages hatte er die diversen MIDI Geräte so verkabelt, dass tatsächlich auch was Sinnvolles rauskam! Alle Module wurden mit dem Atari vom Hybrid Arts Editrack Sequencerprogramm gesteuert, und ich hatte einen DAT Recorder ausgeliehen, um das alles digital zu aufzuzeichnen.
Am zweiten Tag begannen wir mit der eigentlichen Produktion: Percy hatte bereits eine vage Idee, was er aufnehmen wollte, und programmierte das Stück Takt für Takt. Es sollte eine Art HipHop werden, und der Bass sollte den Rap-Part übernehmen. Er brauchte ein paar Stun-den, um den Umgang mit dem Atari und dem Sequencer zu lernen, denn das war neu für ihn. Erstaunlich! Bei mir hatte es Wochen gedauert! Lag vielleicht dran, dass er John Player Special rauchte, ich qualmte derweil munter schwarzen Afghan. Ich lernte dann auch noch einiges durch die Beobachtung dieses Genies bei der Arbeit. Ich war ganz nah dran. Näher ging´s nicht.
Innerhalb von drei Tagen entstand so der Soundtrack, alles total digital aus den diversen Klangmodulen. Da wir als Aufnahmemedium nur den Stereo DAT Recorder hatten, musste der MIDI Backingtrack komplett fertig sein, und dann sollte der Bass in einem Rutsch zum Backingtrack live draufgespielt werden. Ohne Overdubs. Also spielte Percy einen Bass-Durchgang nach dem anderen, in einer ordentlichen Lautstärke, wegen der Inspiration. Petra war genau ein Stockwerk drüber mit den beiden Kleinen, und konnte das Stück irgendwann mitsingen. Mit Take 42 war Percy dann zufrieden. „That´s the master,“ sagte er, „it can´t get any better now.“ OK! Und wie heisst das Stück jetzt? „Yuppie Disease“, meinte er. Eine spezielle Krankheit in New York, die Yuppies befällt, wenn sie mit ihrem Porsche in Downtown NYC keinen Parkplatz finden.
Die CD „Bass-Talk 2“ erschien im Sommer 1991. „Yuppie Disease“ ist heute auch auf Youtube zu finden.
Zwischendurch wurde geplaudert, gegessen und viele John Player Specials geraucht. Percy Jones, in Wales geboren und aufgewachsen, war Gründungsmitglied von „Brand X“, der legendären englischen Fusion- und Prog-Rock Band der Siebziger, von der Drummer Phil Collins einst sagte, „Genesis ist meine Ehefrau, und Brand X ist meine Geliebte.“ Nachdem mit Brand X in den Achtzigern nicht mehr viel lief, zog Percy nach New York und heiratete. Dort hielt er sich mit gelegentlichen Gigs und Studiojobs über Wasser. Dann hiess es, „es gibt ne Brand X Tour, halt dich bereit!“ Percy wartete... John McLaughlin rief an, ob Percy in seinem neuen Trio spielen könnte? Percy sagte, gern, aber es gibt ne Brand X Tour. Als dann doch nichts draus wurde, rief Percy John an, aber der hatte mittlerweile schon Jonas Hellborg engagiert. Dumm gelaufen.
Dann erzählte Percy, dass ein Konzert in Japan mal mit „Branx D“ angekündigt war... kam keiner, wer is das? Und er sollte am Airport in Japan abgeholt werden, man würde ein Schild mit seinem Namen hochhalten. Er sah kein Schild und rief den japanischen Promoter an, der meinte, da wäre einer mit nem grossen Namensschild. Percy schaute sich um, und tatsächlich, da stand einer mit einem Schild „Perez Johnson“. OK, I see.... Dann war da noch die Story mit seiner ersten Band „London Connection“ (oder so ähnlich) wo bei einem Gig plötzlich der Drummer weg war, der kam wieder, dann fehlte der Gitarrist, usw... später kam dann heraus, dass ein Groupie hinter der Bühne Blowjobs an die Musiker verteilte hatte. Aha!
Nachdem „Cape Catastrophe“ sich ganz gut verkauft hatte, erinnerte sich Percy, dass Fodera Guitars 1984 eine Studio Produktion finanziert hatte. Mit Percy am Bass, mit Musikern von Duran Duran, Suzanne Vega und Mike Clarke, den Drummer der Headhunters. Nur wollte keine Plattenfirma dieses heisse Zeug veröffentlichen... Percy verwendete die Kartons mit den Mastertapes als Stützen für sein Bücheregal (!) OK man, nur immer her damit! Ein Stück auf der CD heisst denn auch „Million Dollar Bookshelf“. So konnten wir mit „Propeller Music“ 1990 eine starke CD nachlegen. Diese Musik ist auch heute noch zeitlos, obwohl die damals verwendeten Synthesizer heute für manche Ohren etwas antiquiert klingen. Für das Mastering war ich wieder ins Tonstudio Bauer gepilgert, für das Cover hatte ich Fotos in Eschborn im Garten geschossen und diese im Bad Vilbeler Design Studio verfremdet. Das passende Coverfoto kam von Jens Christoph, der das „morgens um vier total im Tran in irgendeinem Urlaub“ geschossen hatte.
1992 reanimierte Percy Brand X und veröffentlichte auf Ozon Records die Produktion X-Communication. Über die Jahre erschienen diverse CDs mit Percy Jones, und ich freue mich, das irgendwie mit angescho-ben zu haben.
Mittlerweile ist Percy beim amerikanischen Label „Declassified Records“ untergekommen und veröffentlicht ungebrochen ein starkes Stück nach dem anderen.