Fender Precision 1969 - Never Ending Baustelle

bert & zeke S. 88.jpg

Sommer 1969: Auf dem Weg zu einem Ami-Club Gig in Aschaffenburg fuhren wir im Bandbus beim Musikhaus Hummel am Hauptbahnhof in Frankfurt vorbei. Ich wollte endlich einen Fender Bass haben. Der Höfner Solid Body Bass war mir nicht mehr gut genug. Ich fühlte mich mit drei Gigs pro Woche als Profi und wollte auch einen Profi-Bass spielen. Der Laden hatte einen Precision und einen Jazz Bass auf Lager. Beide in Candy Apple Red. Zu dumm... ich hätte lieber einen in Sunburst gehabt, mit Tortoise Scratchplate. Aber egal. Um 900 DM ärmer und um einen Fender P-Bass reicher, ging es weiter in Richtung Aschaffenburg. Den Höfner hatte ich in Zahlung gegeben. Der Bass lag in einem riesigen, mit Fake-Krokoleder bezogenen Koffer. Dazu gab es ein original Fender Gitarrengurt. Der Gig war ganz toll für mich. Ich spielte extra beschwingt. Ich war jetzt in der Profi-Liga!
Am nächsten Tag schnappte ich mir einen Kreuzschlitzschraubenzieher und zerlegte den Bass komplett. Wollte wissen was da drin ist. Da war aber nix drin. Um diese Erfahrung reicher, schraubte ich alles wieder zusammen.

Ein paar Jahre später nahm ich das weisse Scratchplate ab, sägte mit der Laubsäge die Ecke wo die Knöpfe sitzen ab und verrundete es. Dann pinselte ich es mit Revell Modellautofarbe schwarz und schraubte alles wieder zusammen. Mein erster Custom-Job.

bertje 1977.jpg

Mitte der Siebziger fand ich den stark gemaserten Fender Bass von Louis Johnson extrem gutaussehend. So einen wollte ich auch! In der Annahme, meiner würde auch so toll aussehen, beizte ich den Candy-Apple Lack ab. Zum Vorschein kam eine hellbraune Holzstruktur ohne nennenswerte Maserung. Peter Coura vom Guitar Center in Frankfurt erklärte mir, Fender würde die stark gemaserten Hölzer wie Esche transparent lackieren, und die langweiligen Stücke, in meinem Fall Erle, deckend. Ich trug eine farblose Lasur auf und gewöhnte mich dran. Viele andere haben ihre Bässe damals so behandelt. Hier bin ich auf einem Fraktur Punk-Gig von 1977 zu sehen - mit Black Nylon Flatwounds. Und einer grossen schwarzen Sicherheitsnadel im Ohr. Musste man damals als Punk haben.

Dann sah ich Jaco im TV, live von den Berliner Jazztagen. Unglaublich! So wollte ich auch klingen! Ich hatte mir über eine Anzeige im Guitar Player Magazine ein Fret Kit bestellt. Damit konnte ich die Bündel runterschleifen, statt sie rauszureissen. Wäre ´ne sanftere Methode, meinte Peter Coura. Mein Küchentisch war wochenlang als Werkbank umfunktioniert, und ich musste täglich auswärts essen.

mr fretless.jpg

Für die Übergangszeit hatte ich mir einen Rickenbacker 4001 gekauft. Wegen Kraan und Hellmut Hattler. Aber ich stellte fest, der Ricky allein reicht nicht, man muss auch die Hattler-Finger dazu haben. Und immer schön weiterschleifen an dem Hals! Irgendwann war der fertig, aber es klang nicht nach Jaco... Klar, da brauchst du einen Jazz-Bass Bridge Pickup, sagte Peter. Das musste aber noch warten. Mittlerweile betrieb ich den sagenhaften Laden Mr. Bassman und hatte Zugriff auf über fünfzig Bässe. So spielte ich auf jedem Gig einen anderen Bass. Arbeitete aber immer noch an meinem treuen Preci. Auf dem Foto von 1981 ist er rechts von mir zu sehen, mit einer Messing-Brücke, einem ebensolchen Schlagbrett, und einem Fender Fretless Hals.

IMG_2903.jpeg

Dieser Bass veränderte sich ständig. Seymour Duncan hatte einen „gestackten Humbucker” im Jazz-Format im Programm, den besorgte ich mir, und fing an, mit Hammer und Meissel eine Tonabnehmer-Ausfräsung zu graben. Irgendwann entdeckte ich, dass es auch Oberfräsen gibt, Schreiner und Gitarrenbauer haben sowas, damit lässt sich eine Pickup-Ausfräsung schnell und sauber ausführen. Inzwischen hatte ich auch in USA eine BadAss Bridge bestellt. Die versprach mehr Ton. Ich lernte einen begabten jungen Mann kennen, der mir meinen P-Body in Vintage-White lackierte. Von Rockinger holte ich mir ein weisses Scratchplate. Aber bald spielte ich einen 63iger Preci, einen 66iger Jazz Bass, und mein Erstbass hing geduldig an der Wohnzimmerwand. Ab 1999 arbeitete ich mit Magnus Krempel zusammen, und gab ihm den Body zum Lackieren. Diesmal wurde es Lake Placid Blue. So ist der bis heute.

Vor ein paar Jahren ergatterte ich einen 1978er Prezi-Neck. Der passte genau auf den blauen Body. Sehr schön, damit klingt der wieder so wie 1969. Aha-Erlebnis! Als P-Pickup hat der einen Velvet Hammer drin, von Pedal-Steeler Red Rhodes, den hatte ich vor 40 Jahren mal in USA bestellt. An der Brücke sitzt jetzt ein alter Fender Jazz-Abnehmer. Die Bridge ist mittlerweile eine TI aus Titan, die mir jemand zum Testen schickte, die ist prima. Das Tortoise Scratchplate von 1963 hing ewig bei mir an der Wand und ist jetzt wieder im Einsatz. Pyramid Stainless Saiten drauf, so gefällt mir der jetzt wieder. Ein Frankenstein Bass, aus vielen verschiedenen Teilen zusammengestoppelt. Über die Jahre gewachsen, mit tollem Sound! Wenn ich den in die Hand nehme, werden Erinnerungen wach! Und was ist mit dem 69er Fretless Neck? Damit wird auch was passieren, der wird bald Gegenstand einer weiteren Bass-Geschichte sein. Dran bleiben.

UPDATE! Als ewiger Frickler hab ich mir inzwischen einen P-Pu von Bassculture nach meinen Specs wickeln lassen, und einen dazu passenden Jott, aber als Split-Coil. Der klingt fetter und brummt nicht. Die Elektronik ist eine passive Richter, Vol-Vol-Tone. Damit bin ich jetzt erstmal rundum happy.

Übrigens… mehr bassige, zuweilen auch bissige Geschichten gibt´s in meinem Buch “Mr. Bassman…” zu lesen. Dazu hier unten auf LEARN MORE klicken!

https://hotwire-bass.de/mr-bassman-geht-tief-runter-das-buch

Embed Block
Add an embed URL or code. Learn more
Bert Gerecht